1025 Jahre Wadenheim- Festakt am 20. Mai 2017

Rathaus Bad Neuenahr - festrede Hans-Jürgen Ritter

Wie schnell doch 1025 Jahre vergehen –kaum ist die Urkunde trocken, feiern wir schon ihr Jubiläum. Somit ist Wadenheim älter geworden als manch Tausendjähriges Reich.
Aber was besagt dieses Jubiläum eigentlich?
    Erst einmal nicht mehr, als dass der Name Wadenheim 992 zum ersten Mal erscheint in einer heute noch vorhandenen Urkunde. Eine Urkunde allerdings, die auf allerhöchste Anordnung „Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit“ ausgestellt wurde.
    Otto III., deutscher König und römischer Kaiser, aber erst 12 Jahre alt, unterzeichnete auf Bitten oder vermutlich auf Befehl seiner kaiserlichen Großmutter Adelheid, welche die Vormundschaft über ihn ausübte, die Urkunde zur Verleihung eines Wildbannbezirks im Ahrgau an seine Getreuen, die Brüder Sigebod und Richwin..
Darin aber erscheint der Ort Wadenheim mit seiner Brücke nur als ein Grenzpunkt zur topographischen Festlegung des Wildbannbezirks. Er hat also keinerlei weitere Bedeutung, die ihn von tausend anderen Orten dieser Größe herausheben könnte.
    Der Wildbann jedoch mag ob seines Wildreichtums begehrt gewesen sein, sonst wäre er es nicht wert gewesen, für treue Dienste verliehen zu werden.
    Wenn wir zu diesem Zeitpunkt von  Wadenheim sprechen, dann ist wohl nur der Einzelort gemeint und nicht die aus den drei Dörfern Wadenheim, Beul und Hemmessen bestehende später Gemeinde, das Kirchspiel Wadenheim. Wann diese Verwaltungseinheit sich herausgebildet hat, bleibt im Dunkeln der Geschichte. Dies ist mit Sicherheit aber seit 1546 der Fall, als der Herzog Jülich die Grafschaft Neuenahr als erledigtes Lehen eingezogen hatte. Wadenheim wurde nun Hauptort und Verwaltungssitz der Grafschaft Neuenahr. Damit waren die Wodemer für ihre kurkölnischen Nachbarn, mit denen sie schon seit Jahrhunderten im Streit lagen, die Jeulsche,. Streitereien mit ihren Nachbarn aber machte den Jeulschen kaum Kopfzerbrechen, das waren sie gewohnt. Seit Urzeiten schon haben sie immer mit ihren feindlichen Nachbarhorden im Streit gelegen. Ich möchte hier nicht auf die Schinnebröter-Sage eingehen,  um keinen Streit darüber vom Zaune zu brechen, wer den nun eigentlich die Dümmeren gewesen sind.
    Zurück in die Geschichte: Die Gaugrafen Sigebod und Richwin wurden die Stammväter der Grafen von Are, von denen wiederum die Nebenlinie derer von Neuenare abstammt, mit Graf Otto, dem Erbauer der Burg Neuenare um 1228. Sie waren bestimmt auch die Urväter vieler heutigen Wadenheimer, in deren Adern womöglich blaues Blut fließt.
     Sie, verehrte Zuhörer, werden sich ungläubig fragen, wie das denn? Nun die Grafen auf dem Hohen Berg südlich der Ahr, die Nachfahren der Kaisergetreuen Sigebod und Richwin, sind manches Mal ins Tal hinabgestiegen, um nach dem Zehnten zu sehen und haben dann mit den Dorfschönen getanzt, pokuliert und eben auch copuliert. Und wenn die Mägde den Zehnt auf den Burgberg gebracht hatten, wurden sie für den schweißtreibenden Aufstieg auch belohnt, sie genossen die Aufmerksamkeit des jeweiligen Burgherren oder auch seiner Vasallen und Gäste und zogen mit pochendem Herzen und keimendem Leben darunter wieder hinab ins Tal. Mancher dieser Grafenbastarde hat wiederum eine eigene Familie gegründet und viele Nachkommen gezeugt, eben echte blaublütige Wadenheimer. Die waren nur nicht von Adel, sondern eben Bastarde.
    Zurück zu diesem Datum:
    Dieses Datum 992 bedeutet nicht, dass in diesem Jahr die Siedlung gegründet wurde, dass im Tal umherstreifende Horden beschlossen hatten, hier eine Lager aufzuschlagen und sesshaft zu werden. Der Ort bzw. eher eine Ansammlung elender Hütten oder Fellzelte, ist also wesentlich älter. Auch im Ahrtal haben mit Sicherheit zottelige, dichtbehaarte Urzeitmenschen in der Frühzeit die Gegend unsicher gemacht, Mammuts, Säbelzahntiger, Höhlenbären und anderes urzeitliches Getier gejagt, getötet und gefressen, oder wurden von diesen gefressen. Der Wildreichtum dieser Gegend ist ja durch die besagte Urkunde belegt. Das war ja noch im 20. Jahrhundert den vielen Ströppern, Wildbeutern und Fischräuber aus Wadenheim bekannt. Sie ernährten nicht nur ihre Familien mit ihrer Ausbeute, sondern belieferten die vielen Gastronomen, die nicht lange fragten, auf welch verschlungenen dunklen Wegen das Wildpret auf den Tisch des Gastes gelangte.
    Wieder zurück zum Datum:
     Hier haben sich also lange vor der Ersterwähnung 992 umherschweifende Steinzeitmenschen gegenseitig den Schädel eingeschlagen und die erbeutete Frauen an den Haaren oder mit zusammengebundenen Händen und Füßen an Tragestangen zu ihren Lagerstätten an die Feuer geschleift, um sich mit ihnen zu vergnügen und Nachkommen zu zeugen, nämlich die Wodemer. 
    Hätten sie allerdings geahnt, dass diese Siedlungsstätte viel später, nämlich in der Römerzeit, auf den Namen Wadenheim getauft und dass noch viel, viel später, heute im Jahre 2017 die Bürgergesellschaft Wadenheim das 1025-jährige Jubiläum des Ortes feiern würde, hätten sie mit Sicherheit mehr abgenagte Knochen und mehr plumpe Steinzeitwerkzeuge an bestimmten Stellen angehäuft, damit man sie zu diesem Anlass finden würde. Vielleicht aber haben sie ja auch an versteckten Stellen, in einer bis jetzt unentdeckten Höhle des Neuenahrer Berges, oder im weichen Schiefergestein der Ahrberge Kritzeleien mit Jagdszenen, Fruchtbarkeitsgöttinnen oder  Opferszenen für eine günstige Jagd eingeritzt, die noch gefunden werden wollen. Möglicherweise findet ein glücklicher Winzer eines Tages im Gestein seines Wingerts das Bild der Ur-Wadenheimerin, sozusagen der Mater Wadenheimnensis, im natürlichen Schmucke ihrer prallen Schönheit.
Puddelrüh, wie der Wodemer zu sagen pflegt.
    Betrachten wir die Wadenheimer als Nachkommen dieser Urzeitmenschen, dann müssen wir auch versuchen zu ergründen, was sie mit diesen gemeinsam haben und was sie in die heutige Zeit hinüber gerettet haben.
    Da wären nun die Grunzlauten und das Sprachverhalten der Steinzeitwodemer ein starker Hinweis. Wie sie den örtlichen Dialekt und das Sprachverhalten beeinflusst haben, ist noch nicht mit letzter Gewissheit erforscht, kann aber bewiesen werden. Treffen sich da nämlich zwei Wodemer am Alter Markt bei Hendrech on Jösef: Sie eröffnen das Gespräch: „Unn?“ – „Joot!“ – „Unn sonst?“ „Joo“. – „On daheim?“ – „Och.“ oder auch „Et jeit“ oder „Froch net!“ Da fragt man wirklich besser nicht nach, je nach Antwort wusste man dann schon, wies stand.
 Es sind Sprachfetzen nur, aber von tiefer Eindringlichkeit, die alles aussagen. Der Gesprächspartner weiß jetzt Bescheid und ist über den Gemütszustand, die Gesundheit auch der Familie, den geordneten Lebenslauf im Hause bestens vertraut. Nachfragen wie z. B. „Wie meinste dat?“ sind nicht nötig und werden auch nicht erwartet. Warum auch,  es ist alles erschöpfend beantwortet, und so genau wollte man es ja auch nicht wissen. Für tiefsinnige Gespräche war im harten Alltag in der Steppe und am Lagerfeuer keine Zeit.
Unsere beiden Wodemer wechseln noch ein paar belanglose Worte und trennen sich dann: „Maach et!“ – „Dou och!“. Zuhause angelangt: „Wo woarste?“ „Em Dörp.“ „On?“ „Pitter getroffe!““Wat sääht’e?“ „Et wör nimmieh wie et enns woar!“ Einige Wort- oder Satzfetzen oder sogar nur Laute genügen, um philosophische Denkgebäude zu schaffen! Der Gegenüber weiß die wenigen Laute zu deuten. So kommunizierten die Ur-Neandertaler. Die konnten nämlich in der Hitze der Jagd keinen langen Worte machen, da mussten knappe Zurufe genügen, um Erfolg zu haben:
    Die Wodemer haben die Sprachphilosophie im Blut. Da wird nicht lange drumherum geredet und tiefsinnig begründet, warum es zwei verschiedenen Meinungen zu einemSachverhalt gibt. Das klärt der Wodemer kurz und bündig: „Der eine säät esu, der andere su!“ Vielleicht gibt es noch eine dritte Meinung, dann „sät der eben esu!“ So hat sogar mein Deutschlehrer, ein echter Wodemer – de Flapp – uns schon die klassische Literatur nahegebracht!
    Sprachdialoge auf höchstem Niveau auch im vollbesetzten Bierzelt: Der Kellner „Wer es he dat Käseschnittchen?“ Einer aus der Runde: „Ech!“ Oder mit dem Tablett in der Hand in vornehmsten Hochdeutsch: „Wer kraachte hier die Bockwurst?“ Das ist klassischer Gebrauch des Konjunktivs in höchster Vollendung, der Kellner ist ein Sprachgenie!.
    Der Urwodemer konnte sich keine langen Sätze leisten, denn er musste auch im Gespräch ständig auf der Hut sein. Irgendwelch Gefahren lauerten immer – der Höhlenbär, die feindliche Nachbarhorde, Unwetter und vor allem die unbändige Ahr. Da bildete sich auch bei ihm die Gewohnheit aus, Wörter auf die nötigsten Laute zu kürzen, damit sie schneller über die Zunge gingen. Heute noch merkt man das: Hier spricht niemand vom Original, sondern vom Orginal, der Ärchäologe würde einen Knoten in die Zunge machen, dann eben lieber der Archäloge und seine Archälogie. Der Meteorologe natürlich Metrologe.
 Material, viel zu kompliziert, es spricht sich besser Matrial. Man denke besonders an das berühmte Haupossamb-eh er Hauptpostamt ausgesprochen und mehrere Knoten in der Zunge hat, hat der Höhlenbär ihn schon erwischt! Bei Karamellen würde der Wadenheimer ins Stolpern geraten, dann lieber Kamelle!
Ganz besonders aber beim prägende Fest im Leben eines Katholiken, die beliebte Kommion, „Ohsere jeht düss Johr met zur Kommion“.Nur wenn der Wodemer sich in höheren Kreisen bewegt, wird auch sein Sprachverhalten ungewohnt vornehm und nimmt sich Zeit, um das vertrackte Wort genau auszusprechen, dann „jeht et Kind met zur heiligen Kommulion“.
Als Lehrer habe ich mich immer gefreut, wenn Schüler gefragt haben: „Kann ich mal ins Sekreat? Ich will fragen, ob der Regelionsunterricht ausfällt.“
Überhaupt ist der Wadenheimer ein Meister im Gebrauch von Fremdwörten. Hören wir von dem Urlauber,  dass er in Kanada die Viagrafälle besucht hat oder mühsam in Japan auf den Pyjama gestiegen ist, um von oben des herrliche Aroma zu genießen. Im Hollandurlaub hat natürlich auch  den berühmten Glöckner von Rotterdam besucht. Natürlich weiß er, dass Johann Wolfgang von Schiller das Drama Maria Stuttjart geschrieben hat. Am Sternenhimmel kennt er sich aus und findet schnell das berühmte Zwillingsgestirn Castrop und Rauxel.
    Der Wodemer war, was Sprache angeht, lernfähig und schnappte begierig auf. Schon sehr früh kam er mit den Römern in Kontakt. Die Römer kennen den besitzanzeigenden Dativ: Der Centurio fragt zornbebend: „Wem ist das ungepflegte Pferd dadrüben? Einer antwortet: „Das Pferd ist dem Claudius.“ Nun, der Wodemer fragt: „Wemm ess dat Päärd?“ Die Antwort lautet: „Dat Päärd ess dem Pitter.“ Oder fast gesungen: „Wemm seng Päärd ess dat?“ – „Dat ess demm Pitter seng Päärd.“ Er hat von den Römern gelernt – de menge, de denge on de dämm de senge Hoot! „Däm Franz sengem Vadder senge Hoot es fott!“
Da wir schon bei den Römern und ihrer Sprache ind, können wir auch gleich den Ortsnamen Wadenheim ableiten:
Eine vorhandene seichte Stelle  durch die vielen Rinnsale der durch das Tal fließenden Ahr im Bereich der heutigen Maria-Hilf-Brücke  war die Furt eines alten Nord-Süd-Handelsweges von den Höhen der heutigen Grafschaft in die Bergwälder südlich derAhr und die erste bequeme Möglichkeit, das tief eingeschnittene Tal der Ahr zu überwinden.
Was lag näher, dieser Gegend die Bezeichnung ad vadum“ (lat. zur Furt hin, in Richtung auf
die Furt) oder prope vadum“ (lat. = bei der Furt, in der Nähe der Furt) zu geben. So entstand aus der Lagebezeichnung, die römischen Legionären einen Zielpunkt angab, der Ortsname WADENHEIM = Siedlung an der Furt.
 Im heutigen Dialekt lebt die lateinische  Bezeichnung weiter fort: WODEM, klingt wie vadum. Vergessen wir also getrost den Hof des Wado, der hier gestanden und dem Ort den Namen gegeben haben soll. Getrost vergessen können wir  auch den Wotanshein. Das war im Tausendjährigen Reich mit seiner Germanentümelei angebracht. Das sind wie immer die gängigsten Lösungen, wenn man nicht mehr weiter weiß! Da könnten die Bodendorfer genau so gut behaupten, Sigebod habe bei ihnen einen Hof gehabt!
Den oben schon erwähnten Nord-Süd-Weg, abzweigend von der oder hinführend zu der Alten Aachen-Frankfurter Heerstraße bevölkerten Heerscharen von Pilgern, Kaufleuten, Soldaten, Gesindel u. ä. Volk. Völkerscharen aus ganz Europa, ein babylonisches Sprachengewirr herrschte hier. Diese Scharen werden versucht haben, auf mehr oder weniger ehrliche Art sich aus den Ortschaften rechts und links der Straße zu ernähren. Das führte natürlich zu Konfliktsituationen mancherlei Art.
    Die Wadenheimer werden sich ihrer erwehrt haben müssen. Schon wieder Situationen, die kein langes Reden erforderten, sondern tatkräftiges Handeln, besonders, wenn man sich sprachlich nicht verstand. Dann blieb nur eins: „Titsch emm eine!“ Dafür brauchte es kein uniformiertes, scherbewaffnetes und gut organisiertes Schützenwesen  und eine mauerumgürtete Stadt. Das regelte der Wodemer nach Bedarf.
Ihr streitsüchtiges Naturell war durch die vielen Zänkereien mit ihren Nachbarn um irgendwelche Grenzstreitigkeiten geschärft.. Das ging nicht ohne blutige Köpfe, eingeschlagene Nasen und blaue Augen oder noch schlimmerem ab. Da war es einmal eine nichtsahnende Kuh. Die hatte nämlich beim Weiden über der Grenze gestanden, mit dem Heuft (dem Haupt) nach Bachem und dem Schwanz nach Wadenheim. Wem gehörte sie nun? Der unparteiische Rchter Becker aus Wadenheim urteilte salomonisch: „So sall der Arsche dem hauffde folgen“ und sprach die Kuh den Ahrweilern zu.
Die falsch weidende Kuh wurde vor der Zusammenlegung von Ahrweiler mit Bad Neuenahr wieder lebendig, im übertragenen Sinne. Es ging es um den Standort des gemeinsamen Rathauses, das genau auf der Grenze gebaut werden sollte. Wenn es nach dem Willen einiger Unverbesserlicher gegangen wäre, hätte der Stuhl des Bürgermeisters genau auf der Grenze platziert werden müssen. Der arme Kerl hätte dann ständig darauf achten müssen, dass eine Arschbacke über Ahrweiler, die andere über Bad Neuenahr schwebte.
Sie waren echte Haudegen und Streithähne, nach dem Motto: „Wer jett well, der kann jo komme!“ Sie mussten sich eben immer zu Wehr setzen.
    Wie lernfähig der Wademheimer notgedrungen war und wie sprachschöpferisch, merken wir heute noch.
Unser Klein Frankreich hat mit Sicherheit seinen Ursprung in der Zeit der Napoleonischen Besetzung der Rheinlande 1794 - 1814. Sie war ein sehr prägender Einschnitt in der Geschichte. Die alten Feudalstrukturen wurden zerschlagen, eine neue Zeit brach an. Der Freiheitsbaum stand an zentraler Stelle der Ortschaften und man unterstand der französischen Zivilverwaltung, war seit 1801 völkerrechtlich sogar Bürger Frankreichs und musste sich mit französischen Verwaltungsstrukturen herumschlagen und versuchen, zumindest Brocken der fremden Sprache zu verstehen.
    Die ist heute noch tief in seinem Dialekt verwurzelt.. Ich denke nicht so sehr an das allgemein bekannte Trottoir oder den Paraplui. Es sind eher die Anleihen an eine fremde Sprache, die schon Neuschöpfungen gleichkommen. Den Sinn eines Wortes hatte man verstanden, aber richtig aussprechen oder sogar schreiben konnte man es nicht. Wer kennt heute nicht das Stuppeditzchen, eine Koseform für ein Kleinkind? Nun, man hatte den französischen Besatzer gehört, wenn er "toute petite" (ausgesprochen tuttpetitt) ausrief und übertrug es sprachlich in die eigene Vorstellungswelt. Und schon war das Ditzchen geboren.
Wenn jemand eine Gelegenheitsarbeit macht, eine geringfügige Arbeit, so heißt das im Dialekt ein Lappürchen machen. Im Französischen ist le labour (gespr. labuhr) die Arbeit, eine willkommene Gelegenheits Arbeit folgerichtig für einen waschechten Wadenheimer ein labürchen. Das stellte er sich nämlich bildlich vor, man ergriff in diesem Fall die Gelegenheit nicht am Schopf sondern am Ohr, am Lappöhrschen.
Ein Fistemöll ist eine etwas leichtfertige zwischenmenschliche Beziehung, der auch ungewollter Nachwuchs entstammen kann. Den Vater des Sohnes will oder kann man nicht nennen, dann ist es eben ein Sohn vom Weihnachtsmann, ein fils de Noel (gespr. Fissdenoel). Die Merle (la merle) und Beie (abaille), die auch heute noch durch Klein Frankreich fliegen, bedürfen keiner Erklärung. Die Kummkummere (concombre), der Schaffur (chou de Savoie), sind französischen Ursprungs wie auch die Grunschelle (groseille-Stachelbeere) oder die Spruute (chou de Bruxelle).
Und die Merl könnte ja schon seit Römerzeiten hier herumgeflogen sein als merula!.
Wie gesagt, der Wodemer hörte, begriff und bog sich die Sache „mündchesmooß“ zurecht.
    Noch ein Feind bedrohte ständig ihr Leben, die wild mäandrierende Ahr mit ihren verheerenden Hochwassern und Eisgängen. Sie war der gefährlichste Feind überhaupt. Aus den wenigen vorhandenen Aufzeichnungen der Frühzeit über diese Hochwasser lässt sich erahnen, welch Schicksalsfluss die Ahr gewesen ist. Das verheerende Hochwasser von 1804 dürfte nicht das einzige große, alles wegschwemmende Unglück gewesen sein. Wie oft mögen die Wadenheimer ihr Dorf wieder aufgebaut haben. Hatte sich die Ahr dann wieder zurückgezogen, blieb der unfruchtbare Kiesstreifen zwischen der heutigen Kreuzstraße und Mittelstraße, höchstens als spärliche Viehweide nutzbar.
Tagelang, ja oft wochenlang war die eine Seite von der anderen abgeschnitten gewesen. Man konnte seine Felder und Weinberge nicht erreichen, kein Brandholz aus den dürftigen Busch- und Gestrüppwäldern holen, keine Wingertsrohme schneiden, keinen Dünger ausbringen, wenn man ihn denn hatte. Missernten, Hagelschlag, Unwetter sorgten dafür, dass das Vieh kaum Streu, geschweige denn Futter hatte, demzufolge auch wenig ergiebige Dunghaufen hinterließ. Da musste dann das dürftige Heidekraut als Ersatz dienen. In diesen Zeiten bitterer Armut, wenn man nichts zu beißen hatte, wenn das halbzerfallene Häuschen kalt blieb, wenn der Wind den Schnee durch die Dachritzen trieb, da griffen Diebstahl, Holz- und Waldfrevel in Wadenheim um sich, noch in neuester Zeit. Die Gemeindeväter mussten alle Augen zudrücken, wie hätten die Wodemer sonst überleben können?
Wir halten fest: Die Wodemer sind schon ein besonderes Völkchen. Während man den Eiflern über Jahrhunderte „Begabung, Frömmigkeit, gerade Denk- und Handlungsweise, Fleiß, Treue, Gutmütigkeit, Ehrlichkeit und Sachlichkeit, Bodenständigkeit und Gesprächigkeit“ zuspricht (Die Eifel, 1-1017, S. 32 ff), bemüht sich der Wodemer, diese positiven von warmherziger Biederkeit umstrahlten Eigenschaften vermissen zu lassen.
So  beschreibt sie der Jesuitenpater Holler 1676 mit Zornesröte: „Durch Krieg, Armut, Schelmerei sind sie lügenhaft und betrügerisch geworden, tobaken, trinken und fressen. Bei schlechtem Wetter gehen sie nicht zur Arbeit. Bei gutem Wetter aber arbeiten in ihrem Wingert und ihrem Acker. In die von uns gepachteten Wingerte gehen sie nur zum Schein. „Was geht uns der halbe Traubenertrag an. Die Jesuiten sind reich genug. Die Arbeit auf meinem Gut bringt mir mehr Nutzen.““ Besonders vermerkt er, dass sie den auf Jesuitenland, in deren Wiesen oder Ställen angefallene Mist zur Battung (Verbesserung), d. h. zum Düngen, in ihre eigene Weinberge bringen statt in die der Jesuiten. Es kommen auch jährlich von der Grafschaft mehrere Beuschen Stroh und Heu für das Vieh, damit daraus Mist für die herzoglich-jülichen Weinberge wird. Davon kommt aber nur wenig an, den größten Teil zweigen die Wadenheimer für sich ab, obwohl der Rentmeister aufzupassen hatte. Vielleicht steckte er mit ihnen unter einer Decke.
Ein besonderes Kapitel ist die Haltung der Wadenheimer zur Religion. Ursprünglich waren sie den Naturgöttern zugetan, deren Wirken man ständig in der Natur erleben konnte.
Wotans wilde Jagd in den Raunächten bei Herbst- und Winterstürmen, Donars Donnerschläge, Freya, die für die Liebe und Fruchtbarkeit zuständig war. Besonders der Gott des Krieges Tiu war ihnen heilig, war er doch auch so ein Raufbold wie sie selber. Das waren Götter nach ihrem Geschmack.
Dann aber kam Willibrord (658-739, 695 Bischof der Friesen), genannt Clemens der Milde, und wollte sie zu dem sanften, friedfertigen, verzeihenden Christus bekehren. Dessen Naturell war nicht nach ihrem Geschmack. „Wie, Willibrord, wenn der Nachbar mir eine op et Uhr häut, soll ech demm dat andere och noch hinhaale? - Nä, dat ess neus für ohs.“ St. Willibrord wird seine liebe Mühe und Not gehabt haben, bis er sie dann mit viel Überzeugungsarbeit und noch mehr Ahrbleichert endlich getauft und bekehrt hatte, Obwohl, man kann ja nie wissen, heimlich verehrten sie aber noch lange ihre alten Götter. Doppelt hält besser, man kann nie wissen, wer vor Blitzschlag oder Hagel besser zu schützen vermag.
War es nicht doch Freya, die die arme Frau, die nach der Geburt des zwölften Kindes völlig entkräftet daniederlag, wieder zu Kräften kommen ließ, damit ihre Arbeitskraft nicht verloren ging? Und war sie doch an den Strapazen der unzähligen Geburten gestorben, musste man Zur Not eben wieder heiraten, „Frau tot. keine Not, Päärd tot, große Not!“
Später aber wurden sie dann echte Christen, die jetzt die Kommionbank umdäuten und sich am Rosenkranz die Finger wundbeteten. Sie bauten Willibrord  zu Ehren 990 das Kirchlein auf dem Hügel über Beul. Eine große Leistung für eine so bitterarme Gemeinde. Sie bauten sogar um 1625 eine weitere Kapelle auf der linken Ahrseite und besoldeten den zuständigen Vikar, damit auch bei Hochwasser und Eisgang die seelsorgerische Betreuung und göttlicher Beistand gewährleistet war.
St. Willibrord  schloss  die Wadenheimer aber  endgültig in sein Herz ein und belohnte sie spät aber reichlich. Er vollbrachte 1852-1856 seine berühmten Wasserwunder im Ahrtal und ließ Apollinariswasser und Heilwasser in Strömen fließen. Er brauchte dazu aber ein Medium, hier in Gestalt ausgerechnet eines Kurkölners, nämlich Georg Kreuzbergs.
Der aber, obwohl Kurdirektor, fühlte sich hier nicht wohl  und hatte sein Büro in Ahrweiler! Vielleicht auch deshalb, weil er hier seinen Schützenbrüdern näher war. Wie heißt es sinngemäß im 1. Buch Mose? „Er zog sich einen bunten Rock an und dünkte sich besser als seine Brüder!“ Seine Kinder und Schwiegerkinder aber rehabilitierten ihn mit der Gründung des Klosters Maria Hilf 1883 im Jeulschen.
Festzuhalten aber ist es, dass ohne die Ahrweiler Schützengesellschaft und ihrem Ehrenmitglied Kronprinz Friedrich Wilhelm IV. sowie dem aus Ahrweiler stammenden Arzt Carl Jacob Velten, Leibarzt der Brunnenpatin und späteren Kaiserin Augusta das Heilbad nicht auf die Beine gekommen wäre. Bezeichnen wir das getrost mit Ahrweiler Klüngel!
Das Beuler Wasser aber bewirkte sogar Heilungen, die an biblische Wunder erinnern. Nach dem Genuss konnte der Lahme wieder gehen, die unfruchtbare Frau gebar ein Kindlein, der heisere Lehrer konnte wieder klar sprechen. und viele ähnliche Wunder. Das sprach sich natürlich herum. Die Kurgäste kamen in Scharen.
Die Wadenheimer aber wurden ob des nun einsetzenden Wohlstandes hoffärtig, schickten jetzt auch Kinder op die Huh Schull in Ahrweiler oder ließen ihnen Klavierunterricht geben. Sie blickten nun hochnäsig auf ihre Nachbarn in Ahrweiler herab. Die rächten sich mit einem Necknamen für die Jeulscher, der sich auf ihre Fähigkeit bezog, hohe Bögen zu produzieren, Die Jeulscher wiederum rächten sich mit einem Necknamen, der sich auf den Ort ihrer Heimlichkeit bezog.
Beide Namen hier wiederzugeben verbieten mir der Anstand und meine gute Erziehung.

Die Burg-Zehnthof
Die Burg, die ehemalige Scheune des Zehnthofes der Bonner Münsterherren (Cassiusstift). In den 1830er Jahren als Wohngebäude umgebaut. Hier eine Aufnahme nach 1900, vor dem Gebäude sitzt das Töchterchen Else des Besitzers Gregor Müller. Über dem Scheunentor der Wappenstein von dem ehemaligen Amtshaus.
Foto: Privat.

Heiligenhäuschen und Josephskapelle
Eine Totalaufnahme der Kreuzung Haupt-, Berg- und Jesuitenstraße 1896-1904 stellt uns die Situation aus einem überraschenden Blickwinkel dar: Wir blicken aus einer Dachluke (?) des Hotels Zur Traube in östlicher Richtung. Am rechten Bildrand die Häuser Witsch (mit Kamin) und Metzgerei Kohlhaas (mit Dachgaube). Noch beherrscht die 1626 erbaute Josefskapelle die Gabelung der Jesuitenstraße (1904 abgerissen).Es folgen die Hotels Kaiserhof und Hof von Holland, heute der Komplex des Kaufhauses Moses.
Am linken Bildrand die markante Front des Hauses Wagner, so wie sie heute noch zu bewundern ist mit der überdachten Straßenveranda. Schmiedeeiserne Gitter und eine Stuckbrüstung lenken den Blick auf sich. Der mächtige stuckverzierte Giebel kündet vom Besitzerstolz des Erbauers, Hauptlehrer Wagner. Das neuromanische Rathaus, 1895-1896 erbaut, wird von einem gewaltigen Eckturm beherrscht. Aus dem etwas kleiner ausgefallenen Eckturm des Hotels Bonn zur Krone hatte man einen vorwitzigen Blick auf das Verkehrsgewimmel der Hauptstraße.    Das 1536 erbaute und 1903 abgerissene Heiligenhäuschen beherbergte eine Kreuzigungsgruppe, die sich jetzt in der neuromanischen Kapelle gegenüber an der Stelle der Josefskapelle befindet.

Bild Josefskapelle und Schule
Die 1626 erbaute Josefskapelle am heutigen Alter Mark in der Jesuitenstraße, heute Kreuzigungskapelle.. Rechts an der Kapelle schaut das 1786 erbaute Schulgebäude, jetzt Bürgermeisteramt, hervor. Situation vor Abriss des Gebäudes und dem Neubau des Rathauses 1895 an dieser Stelle.An der Ecke Bergstraße die alte Gaststätte und Posthaltestation Bonn, Keimzelle des feudalen Kronenhotels.  Detail aus einem Postkarten-Bildermix. Privat